Projektplan

»Internationales Lernen«

Orientierungen Jugendlicher im Kontext von Integration und Ausgrenzung. Vergleichende Jugendforschung in Deutschland, Griechenland, den Niederlanden, Kroatien und Lettland

1. Zusammenfassung

Das Jugendprojekt beschäftigt sich mit den zunehmenden Problemen der sozialen Ausgrenzung und der Integration in Europa. Die Untersuchungen in den fünf europäischen Ländern werden in benachteiligten Regionen (Stadtteilen) durchgeführt, in denen sich die Integrations- und Ausgrenzungsverhältnisse eines Landes deutlich zeigen und in denen die relevanten sozialen Randgruppen bzw. Migranten-/Minderheitengruppen vertreten sind. Bei der geplanten Handlungsforschung werden zum einen die zuständigen Integrationsagenturen und Experten (Jugendarbeiter, Lehrer, Sozialadministration), zum anderen die Jugendlichen einbezogen. Integration und Ausgrenzung wird also aus beiden Perspektiven untersucht. In der ersten Phase stehen die sozialen Experten im Mittelpunkt, in der zweiten Phase die Jugendlichen. In den weiteren Projektphasen werden beide am internationalen Erfahrungsaustausch beteiligt (über Begegnungskonferenzen und kontinuierlich über das Internet). Das Projekt entwickelt politische und pädagogische Vorschläge zur Förderung der Integration und zum Umgang mit Ausgrenzung. Beginn des Projekts 1.10.1996, Gesamtdauer drei Jahre.

2. Methodische Vorgehensweise

Die geplanten Untersuchungen werden jeweils parallel in allen Ländern durchgeführt, d.h. die methodische Vorgehensweise ist weitgehend identisch. Von Anfang an wird ein intensiver kommunikativer Austausch zwischen allen Beteiligten innerhalb und zwischen den Ländern u.a. mit Hilfe von Internet-Stationen organisiert. In der ersten Phase (1.10.96 - 30.9.97) sollen durch intensive ethnographische Beobachtung, durch Sekundäranalysen von Statistiken und Publikationen (u.a. Zeitungen) die sozialen Bedingungen und die dominanten Diskurse im jeweiligen Stadtteil erforscht werden. Dazu gehört auch die Rekonstruktion der Sozialgeschichte des Stadtteils. Die für Jugendliche besonders wichtigen Sozialräume (z.B. Jugendhäuser, Freizeiteinrichtungen, Schulen) werden dabei eingehender analysiert, die Integrationsbemühungen wissenschaftlich evaluiert. Ergebnis ist eine detaillierte Beschreibung des jeweiligen Stadtteils unter dem Gesichtspunkt der sozialen Integrations- und Ausgrenzungsverhältnisse. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie die Sozialexperten (Sozialar beiter/innen, Lehrer) ihre eigenen Integrationsversuche und ihr jugendliches Klientel sehen. Die qualitativen Interviews werden für die Auswertung mit Tonband aufgezeichnet, die Beobachtungen protokolliert. In dieser Phase werden die Integrationsmaßnahmen und Ausgrenzungsprozesse vom Standpunkt der Sozialexperten aus analysiert. Die zweite Projektphase (Dauer ein Jahr) konzentriert sich auf die Jugendlichen, auf ihre Lebenssituation, ihre Orientierungen und Handlungsformen und ihren Umgang mit Integrations- /Ausgrenzungsangeboten in den ausgewählten Stadtteilen. In einem ersten Schritt werden mit einem standartisierten Fragebogen die verschiedenen ethnischen und sozialen Gruppen von Jugendlichen im Stadtteil befragt. In einem zweiten Untersuchungsschritt werden dann qualitative Gruppen gespräche und Einzelinterviews mit Jugendlichen durchgeführt. Hier liegt ein Schwerpunkt auf den konkreten Handlungstendenzen und Orientierungsformen der Jugendlichen, die mit einem standardisierten Befragungsinstrument schwer erfaßbar sind. Es wird damit genauer erforscht, wie Jugendliche ihre Integration und die Integration anderer selbst anstreben, bzw. welche Integrations angebote sie wahrnehmen und was Ausgrenzung für sie konkret bedeutet. Bestehende Integrations angebote werden dabei vom Standpunkt der Jugendlichen aus beurteilt. In der dritten Phase (Dauer ein halbes Jahr) liegt der Schwerpunkt des »Internationalen Lernens« bei den sozialen Experten. Die Ergebnisse aus den ersten beiden Untersuchungsphasen werden in einem zusammenfassenden Zwischenbericht zusammengestellt und den sozialen Experten im Stadtteil zur Verfügung gestellt. Auf einer internationalen Konferenz, an der auch soziale Experten aus den entsprechenden Stadtteilen teilnehmen, tauschen die Forscher ihre Ergebnisse aus, vergleichen sie miteinander und versuchen dadurch genauere Erkenntnisse zu gewinnen. In der vierten Phase (Dauer ein halbes Jahr) werden auf der Basis des Zwischenberichtszusammen mit den Jugendlichen Dokumentationen zu den Stadtteilen mit Hilfe von Medien (Broschüren, Foto, Video, Internet) erstellt, in denen die Möglichkeiten und Probleme der Integration in ihrem Stadtteil anschaulich dargestellt werden. Jugendkulturelle Darstellungs- und Aktionsformen stehen bei der Öffentlichkeitsarbeit im Mittelpunkt. Bei einer internationalen Begegnung stellen einzelne egagierte Jugendliche zusammen mit den Forschern ihren jeweiligen Stadtteil medial vor und diskutieren die Möglichkeiten zur Verbesserung der Integration. Der Schwerpunkt »Internationalen Lernens« liegt hier bei den Jugendlichen, sie werden zu weiterem praktischem Engagement angeregt. In der fünften und letzten Phase (außerhalb des Förderungszeitraums) werden aus allen Ergebnissen Vorschläge für die Jugendpolitik entwickelt, Materialien für Multiplikatoren (Lehrer und Sozialarbeiter) erstellt und die Öffentlichkeitsarbeit (auch über das Internet) verstärkt.

3. Implikationen für die Jugendpolitik

Die Jugendpolitik in Europa steht bisher den Integrationsproblemen relativ hilflos gegenüber. Konzeptionelle Überlegungen sind selten, die Maßnahmen unkoordiniert und unkontrolliert. In dem geplanten Projekt werden an Fallbeispielen die Probleme der Integration und Ausgrenzung untersucht und auf dieser Grundlage konzeptionelle jugendpolitische Folgerungen entwickelt. Durch den internationalen Austausch wird eine Koordination weitergehender jugendpolitischer Vorschläge angestrebt. Die Ergebnisse werden sowohl regional aktivierend eingesetzt, als auch für eine breitere Öffentlichkeitsarbeit mit Medien (Zeitung, Fernsehen, Radio, Internet) genutzt. Zusätzlich werden die Materialien für die Weiterbildung von Multiplikatoren umgearbeitet.

4. Projektpartner und Untersuchungsgebiete

An dem Projekt sind aus den beteiligten Ländern folgende Personen und Gebiete beteiligt:

- Deutschland PD Dr. Josef Held und Prof. Dr. Günter L. Huber, Universität Tübingen, Institut für Erziehungs wissenschaft , Abt. Pädagogische Psychologie Untersuchungsgebiet: Stuttgart Ostend und Tübingen Südstadt
- Griechenland Prof. Dr. Georgios Tsiakalos, Aristoteles University, Dep. für Education, Thessaloniki Untersuchungsgebiet: Thessaloniki Eleftherio-Kordelio
- Niederlande Stichting BeeldVorming - Onderzoek International, Dr. Rudolf Leiprecht, Amsterdam Untersuchungsgebiet: Amsterdam Oud West
- Kroatien Dr. Melita Svob, Prof.Dr. Vjeran Katunaric, Universität Zagreb Untersuchungsgebiet: Zagreb Dubrava - Lettland Prof.Dr. Ausma Spona, Universität Riga, Institut für Psychologie und Pädagogik Untersuchungsgebiet: Riga Vidzemes

5. Zeitplan

1. Phase (Stadtteilanalyse und Expertenbefragung): 1.10.96 - 30.9.97
2. Phase (Jugendbefragung): 1.10.97 - 30.9.98
3. Phase (Auswertung und internationaler Vergleich) 1.10.98 - 30.3.99
4. Phase (internationale Jugendbegegnung) 1.4.99 - 30.9.99
5. Phase (Vorschläge- und Materialienentwicklung)